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Gedanken zu Schengen/Dublin

In gut eineinhalb Wochen ist eidgenössischer Abstimmungstermin, an dem neben dem Partnerschaftsgesetz über die Verträge von Schengen und Dublin abgestimmt (bzw. vor allem ausgezählt) wird. Im Folgenden einige grundsätzliche Gedanken zu diesen komplexen Vorlagen.

Schengen

Die Hauptpunkte aus diesem Vertrag sind die innereuropäische Reisefreiheit und die damit verbundene Aufhebung der gewohnten Grenzkontrollen, sowie der Zugang der Schweizer Polizeien zum Schengen Informationssystem. Als Nebenprodukte aus den Verhandlungen wurde, mangels Zollunion mit der EU, die Warenkontrolle an der Grenze als auch eine Anerkennung des Bankgeheimnisses ausgehandelt.
Dies die groben Fakten, dazu kommen natürlich ein Haufen Details, die Gegner und Befürworter haarklein abgesucht haben, um daraus ihre Argumente zu zimmern. So beispielsweise die SVP, die nicht müde wird, den einen Artikel aus dem Vertrag zu repetieren, der da besagt, dass es den Unterzeichnerstaaten untersagt sei, weiterhin Grenzkontrollen zu machen, dabei aber verschweigt, dass die Schweiz explizit das Recht ausgehandelt hat, weiterhin an der Grenze Warenkontrollen und damit indirekt auch gewisse Personenkontrollen machen zu dürfen. Auf der anderen Seite die SP, die mit gesteigerten Fahndungserfolgen dank SIS werben, dabei aber verschweigen, dass dieses System wohl kaum den parteieigenen Vorgaben bez. Datenschutz genügt.
Diese beiden Beispiele machen anschaulich, wie die Parteien unliebsames ausblenden, um ihre Argumente gut aussehen zu lassen. Nur: was mache ich als Stimmbürger daraus? Eigentlich klar, dass ich nicht auf die SVP höre, aber ist die SP mit diesen Argumenten glaubwürdiger? Soll ich überhaupt darauf hören, was die Parteien erzählen? Und kann ich das Vertragwerk überhaupt vollumfänglich beurteilen? Vermutlich muss ich alle diese Fragen mit nein beantworten und zurückgehen auf die eingangs erwähnten Hauptpunkt. Mir dann überlegen, ob dies konzeptionell in die richtige Richtung weist, um tatsächlich vorhandene Problem zu lösen, oder ob es mit dem Status quo gleich gut oder zumindest nicht schlecher geht.

Dublin

Der Dublin Vertrag versucht die Migrationsproblematik auf einer supranationalen Ebene anzugehen. Die Richtlinien zur Aufnahem von Asylbewerbern werden vereinheitlicht, pro Bewerber wird im ganzen Vertragsraum nur noch ein Gesuch behandelt.
Obwohl Dublin klar im Schatten der Schengen-Diskussionen steht, weil’s eben nur um Asylbewerber geht und der durchschnittliche Stimmbürger davon nicht gross betroffen ist, ist auch dieses Übereinkommen von grosser Bedeutung für die Schweiz. Inwieweit tangiert dieses Vorhaben unsere vielgepriesene humanitäre Tradition?
Dazu muss wohl zuerst die Frage beantwortet werden, wie weit es mit dieser Tradition heute überhaupt noch her ist. Die Diskussionen im Asylwesen drehen sich schliesslich nur am Rande um die Menschen, hauptsächlich aber um die Kosten die zu berappen sind.

Komplexe Vorlagen und der Stimmbürger

Die Problematik ist also, ob es dem durchschnittliche Stimmbürger, dem ein begrenztes Zeitbudget zur Verfügung hat, um sich über die Medien und spezifische Veranstaltungen mit den Themen auseinanderzusetzen, überhaupt möglich ist, sich ein Bild zu machen, um nachher fundiert seine Meinung an der Urne kundzutun.
Ich denke dies ist nicht möglich, aber trotzdem finde ich es richtig, dass der Souverän auch über solche Vorlagen befinden soll. Nur sollte sich dann die öffentliche Diskussion nicht um irgendwelche Vertragsdetails drehen, sondern um die grundlegenden Konzepte, die zur Diskussion stehen. Die Detailargumente halten sich schlussendlich, jeweils isoliert betrachten, etwa die Waage und daraus müsste dann eigentlich eher eine Ablehnung resultieren, da mit einer Annahme keine wirkliche Verbesserung zu erwarten wäre.
Das Zoom sollte also etwas herausgefahren werden, um das Gesamtbild zu betrachten. Können also die vorgeschlagenen Konzepte helfen, die vorhandenen Probleme in Zukunft zu lösen? Machen sie, mit gesundem Menschenverstand beurteilt, Sinn? Nur mit dieser Betrachtungsweise kann man zu einem persönlichen Pro- oder Contra-Entscheid gelangen.

Ich für meinen Teil bin zum Schluss gekommen, dass für mich die Konzepte Sinn machen und sowohl im Bezug auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität (Schengen) als auch in der Migrationsproblematik (Dublin) mit diesen Abkommen Probleme gelöst werden können und ich werde deshalb ja stimmen.
‚Abrechnen‘ wird man dann in ca. 5-10 Jahren können, dannzumal wird man in der Retrospektive beurteilen können, ob die Konzepte wirklich gehalten haben, was man (und ich) sich davon versprochen hat… (und dies ist auch eine Absage an alle Prognostiker, gleich welcher Couleur, die heute genau wissen, was passieren wird bei diesem oder jenem Abstimmungsausgang).